31. August 2023

✦ by Any

Lesedauer: 21 Minuten

Abtreibungserfahrung

Eine berührende Geschichte aus Neuseeland. Mit Bonusmaterial.

Wenn du schnell Hilfe brauchst, dann springe hier zum Bonusmaterial zur Abtreibungserfahrung: 
Eine Liste von Websites, die über Abtreibung in Deutschland informieren, sie unterstützen und sogar ermöglichen.

Das Interview  »Abtreibungserfahrung« wurde im April 2023 in Neuseeland auf Englisch aufgenommen. 

Hier geht's zur englischen Originalversion: »An Experience with Abortion - A Moving Story from New Zealand«.

Hast du eine Abtreibung erlebt oder steht sie dir bevor?

Oder hast du eine Frau in deinem Umfeld, die in dieser Lage ist und die du liebevoll in ihrer ganz eigenen Abtreibungserfahrung begleiten willst?

Du bist JETZT in Not und brauchst SOFORT Unterstützung? Dann springe ruhig direkt zum »Bonusmaterial«.

Ich habe für dich, für alle Frauen, eine liebe Freundin zu ihrer Abtreibungserfahrung befragt.

Sie ist den Weg mutig, intuitiv, in Verbundenheit mit sich, ihrem Baby und ihrem Partner gegangen.

Sie ist den Weg für sich und für uns alle gegangen.

Sie hat das große, verletzte Kollektiv der Frauen, die eine Abtreibung vor oder hinter sich haben, ein Stück weit heilen dürfen, indem sie ihrer Seele und der Seele ihres Babys den Weg und die Heilung schenkte, die beide brauchten.

Das war kein leichter und auch kein schneller Weg.

Doch sie hat sich getraut hinzuschauen, durchzufühlen und sich auf die Suche nach der Essenz dieser Erfahrung zu begeben.

Sie hat sich vor allem getraut ihrem Seelenruf zu folgen - auch wenn dieser mit dem Tod zu tun hat, mit Abschied und Loslassen.

Das ist die dunkle Seite des Seelenweges.

Wir müssen ihn alle gehen, in unserem Tempo und mit unseren Themen.

Für manche Frauen ist das eine Abtreibungserfahrung, die ihren Weg kreuzt.

So wie für Holly, die mir ihre Geschichte schenkte, damit ich sie hier veröffentlichen kann.

Hollys Worte können dir Trost und Kraft spenden, dir eine Schulter zum Weinen und eine Hand zum Halten sein, dich halten und sehen.

Dieses Interview ist eine Hommage an jede Frau, die sich für eine Abtreibung entscheidet.

Diese Geschichte ist eine von Tausenden.

Sie klärt nicht auf, sie ist kein medizinischer Rat und sie nimmt dir keine Entscheidung ab.

Sie ist einfach ein Erfahrungsbericht, den du als Begleiter für deinen Weg sehen darfst.

Zum Kontext:

Holly hatte ihre Abtreibung mit 22 Jahren, das Interview führten wir etwas mehr als 1 Jahr später.

Ihr Partner heißt Liam, das Baby Little Bean.

Holly, Liam und Little Bean wohnen in Neuseeland.

Holly bezieht sich in den Teilen ihrer Geschichte über die Ärztin, die Abtreibungsklinik und die Therapie im Frauenzentrum auf das neuseeländische medizinische System.

Aus dieser Perspektive ist ihre Geschichte nicht in eine deutsche Erfahrung übertragbar.

Ihre Gefühle, ihre intrinsische Entscheidungsfindung und all die Effekte, die die Erfahrung einer Abtreibung auf ihr Leben, ihren Körper und ihre Beziehung haben, ist eine rein weibliche, eine menschliche Erfahrung.

Wenn du ihre Abtreibungserfahrung im englischen Original lesen möchtest, dann findest du hier die englische Transkription des Interviews.

(If you want to read her story in its English original version, you can find the transcription of the interview here.)

Ich habe das Interview mit ihr persönlich in gesprochener Form aufgenommen und hier schriftlich transkribiert.

Ich habe bis auf das Rausstreichen weniger »Ähms« und inhaltlicher Wiederholungen alles im Original belassen.

An wenigen Stellen habe ich lediglich medizinische Erklärungen eingefügt, diese sind aber entsprechend gekennzeichnet.

Das hier ist also eine unverfälschte Geschichte der Abtreibungserfahrung einer jungen Frau und ihres Sternenkindes.

Wenn du wissenschaftliches und aufklärendes Material zu Abtreibungen suchst, empfehle ich dir dieses Übersichtswerk von Profamila: »Schwangerschaftsabbruch. Was Sie wissen sollten. Was Sie beachten müssen.«.

Die Realisierung: »Ich bin ungewollt schwanger«

Any:

Holly, danke, dass du heute hier bei mir sitzt.

Ich schätze es sehr, dass du den Mut hast, öffentlich über deine Abtreibungserfahrung zu sprechen.

Deine Geschichte ist wichtig und will gehört werden.

Sie ist die Geschichte so vieler Frauen da draußen.

Was ich vorher noch sagen möchte:

Wenn du auf gewisse Fragen nicht antworten möchtest, dann lass die Frage einfach vorüber ziehen, oder beantworte eine andere Frage, wenn du über etwas anderes sprechen willst.

Die Überschrift ist »Abtreibungserfahrung«.

Alles, was damit zusammenhängt, ist vollkommen ok zu teilen. Und auch alles andere ist willkommen.

Bitte haben nicht das Gefühl, dass du eine bestimmte Geschichte erzählen müsstest.

Jedes Wort, das du teilen möchtest, ist das exakt Richtige.

Bereit? Fangen wir also an:

Meine erste Frage lautet: Was hast du gefühlt, als du realisiert hast, dass du schwanger bist?

Holly:

Ach du meine Güte.

Ich war sehr geschockt, aber ich wusste es auch, weil ich Anzeichen dafür hatte.

Meine Brüste taten extrem weh.

Ich war sehr launisch, meine Stimmung ging auf und ab.

Aber ja, ich glaube, ich erinnere mich, dass ich sehr überwältigt war.

Aber ich weiß auch noch, dass ich mir vor dem Test gesagt habe, wenn ich schwanger bin, werde ich abtreiben.

Also hatte ich diese Entscheidung in meinem Kopf bereits getroffen.

Es war nur die Realität, dass ich das alles tatsächlich durchmachen musste.

Ich wandte mich an eine meiner besten Freundinnen, von der ich wusste, dass sie Abtreibungen sehr offen und mitfühlend gegenüberstand.

Schwangerschaftsabbruch

Und wir hatten ein wirklich ehrliches Gespräch über die Vor- und Nachteile und darüber, ob das meine Entscheidung ist und was Liams Entscheidung ist.

Und, ja, das war eine Entscheidung, die ich bereits getroffen hatte, und dann kamen all die Emotionen mit der Realität der Entscheidung, aber ich wollte sie trotzdem durchziehen.

Any:

Möchtest du mehr über die Gefühle erzählen, die in dir aufkamen, als du den positiven Schwangerschaftstest gesehen hast?

Holly:

Es war wirklich wie ein Schock.

Ich habe sogar ein Foto davon gemacht und manchmal taucht es in meinen Lieblingserinnerungen in meinem Handy auf.

Und jedes Mal, wenn ich es ansehe, spüre ich, wie mein Körper diese seltsame Schockreaktion auslöst.

Und dann natürlich Angst.

Angst davor, was es mit meinem Körper machen wird, ob es wehtun wird?

Ich habe Angst vor diesem Unbekannten, weil die Leute nicht darüber reden.

Es ist ein ziemliches Tabu.

Ich war auch sehr traurig, denn ich wollte so etwas nie durchmachen müssen.

Aber ja, ich habe diese Schuldgefühle verarbeitet, weil ich einfach dumm war.

Ich kam mir wirklich so dumm vor und hätte vorsichtiger sein müssen.

Und hier war ich nun. 

Ich habe es einfach versaut und jetzt ist da Little Bean in mir.

Wie die Entscheidung zur Abtreibung fiel

Any:
Wie hast du dich für die Abtreibung entschieden? Was waren deine Gründe?

Holly:

Es war nicht realistisch, das durchzuziehen.

Ich war damals auf halbem Weg durch das Studium.

Ich musste meinen Bachelor-Abschluss machen.

Mein Partner und ich waren aber schon seit vier Jahren zusammen und wir haben ein Haus.

Wir waren in der Lage, uns tatsächlich um ein Kind zu kümmern.

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Es war einfach nicht das perfekte Szenario.

Nicht, dass man jemals das perfekte Szenario haben wird, wenn man ein Kind haben will, aber für uns - wir wissen beide in unserem Innersten, dass dies nicht unser Timing war.

Wir waren auch finanziell nicht gut genug aufgestellt.

Das ist ziemlich egoistisch, aber wir wollten einfach die Welt sehen und unsere Ziele erreichen und so weiter.

Any:

Wie hat Liam darüber gedacht und gefühlt?

Holly:

Er war mir gegenüber ehrlich mit dem, was er wollte.

Er wollte kein Kind haben, aber er hat mir trotzdem die Entscheidung überlassen.

Er sagte, wenn du eine Abtreibung nicht durchstehen kannst, dann werden wir schon klarkommen.

Wir schaffen das schon, wir kriegen das hin.

Aber ich weiß auch in meinem Herzen, dass es für mich nicht in Ordnung ist, ein Kind in die Welt zu setzen, ohne dass beide Parteien an Bord sind.

Und wenn wir diese Erfahrung machen, möchte ich, dass wir beide begeistert und aufgeregt sind und: »Wow, das wird so cool!«

Aber er war auch traurig.

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Wie traurig er war, habe ich erst vor kurzem gemerkt, nachdem ich zur Therapie gegangen war.

Die Therapeutin hat mich ermutigt, mit ihm über seine Gefühle zu sprechen, weil es in dieser Zeit offensichtlich nur um mich ging.

Und es gab auch ein bisschen Aufregung, weil wir festgestellt haben, dass wir zusammen schwanger geworden sind.

Und so gab es kleine Momente, in denen er meinen Bauch berührte und küsste.

Das waren ganz besondere Momente, die, obwohl sie sehr traurig waren, auch sehr heilsam waren.

Und es hat mir geholfen zu erkennen, dass es ein echtes Stück Schöpfung ist.

Auch wenn es kein vollwertiges Baby ist, so ist es doch eine Seele.

Any:

Es ist so schön, dass du ihm Freiraum gegeben hast. Die Gefühle des Mannes, denke ich, sind etwas, was in solchen Situationen gerne mal übersehen wird.

Holly:

Ja.

Und ich glaube nicht, dass ich es perfekt gemacht habe.

Denn ich dachte: »Ich Arme, ich muss mit meinem Körper durch diese Leidensgeschichte gehen.«

Wir haben dann zusammen gebadet.

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Ich habe ihn gefragt: »Wollte ein Teil von dir eigentlich Little Bean haben?«

Und er sagte: »Ja«.

Da war etwas in ihm, das irgendwie entflammte. 

Ich dachte, das wären nur ich und meine mütterliche Seite.

Aber er sagte, dass es ein kleines Stück gab, das einfach nur »wow!« war.

 Aber ja, es war nicht der richtige Zeitpunkt.

Any:

Ihr zwei scheint tief miteinander und mit dem, was ihr gemeinsam durchgemacht habt, verbunden zu sein.

Ihr habt als Paar beeindruckend gute Arbeit geleistet, vor allem weil ihr noch ziemlich jung seid.

Ich bin beeindruckt!

Die Abtreibungserfahrung - Vorbereitung und Ablauf

Any:

Und die Abtreibung selbst - wie lief das ab? Und für welche Art von Abtreibung hast du dich entschieden?

Holly:

Ich fange mal ganz von vorne an zu erzählen, beginnend mit dem Moment, als ich zu meiner Hausärztin ging:

Ich bin zu ihr gegangen, weil man dort den Prozess beginnen muss.

Und sie fragte mich natürlich, was ich tun wolle.

Und ich sagte: »Abtreibung!«

Sie hat dann alle Überweisungen ausgefüllt.

Ich musste einen Ultraschall machen lassen.

Liam hat mich dorthin begleitet.

Ich musste auch einen Bluttest machen lassen.

Und dann hatte ich meinen ersten Termin in der Abtreibungsklinik.

Ich komme aus einem sehr religiösen Umfeld.

Ich hatte große Angst davor, wie diese Fachleute reagieren würden, und ich wusste, dass meine Ärztin auch Christin war.

Normalerweise sind sie sehr pro life.

Mehr zur »ProLife« Bewegung in Europa.

Ich erinnere mich, dass ich mich sehr ängstlich fühlte und mich schämte.

Aber der gesamte Prozess war so würdevoll und sehr professionell.

Was mir begegnete, war wirklich ermutigend und unterstützend: »Ihr tut, was ihr tun müsst. Es geht niemanden sonst etwas an«, wofür ich sehr dankbar war.

Aber ja, wir hatten unseren ersten Termin in der Abtreibungsklinik.

Das war an einem Freitag.

Die Ärztin hat uns über alles aufgeklärt, wir mussten Einverständniserklärungen unterschreiben und so weiter.

Und dann hat sie mir die verschriebenen Medikamente gegeben.

Ich war vier, fünf Wochen schwanger, also konnte ich einfach die medikamentöse Abtreibung vornehmen.

Mehr über die medikamentöse Abtreibung findest du auf »profemina«.

Sie gab mir im Grunde die gesamte Ausstattung, die ich brauchte, um die Abtreibung am Wochenende zu Hause durchzuführen, nur Liam und ich.

Ich nahm die erste Pille bei der Ärztin der Klinik.

Dann kam der Samstagmorgen und ich musste eine weitere Pille nehmen.

Und dann musste ich mir gegen Mittag die letzte Pille in die Vagina stecken.

Es floss Blut, und ich bin mir ziemlich sicher, dass das dabei half, das Ding, welches um das Baby herum ist, aufzubrechen und es somit aus mir herauszuholen.

Holly spricht hier von folgendem Phänomen:

»Die Vorstufe der Plazenta (Mutterkuchen) mit den Chorionzotten bildet sich schon in den allerersten Wochen der Schwangerschaft. Sie sorgt für den Hin- und Hertransport von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten zwischen mütterlichem und kindlichem Kreislauf. Nach der Einnahme von Mifegyne® löst sich die Gebärmutterschleimhaut mit den Chorionzotten von der Gebärmutterwand ab, der Embryo verliert seinen Halt und damit seine Versorgung und stirbt ab.«

Quelle: »Profemina«.

Aber diese ganze Erfahrung war sehr, sehr unangenehm.

Um ehrlich zu sein, ich will es nicht untertreiben:

Es war sehr schmerzhaft. Die schmerzhafteste Erfahrung, die ich je erlebte.

Um dir eine Vorstellung davon zu geben: Ich habe mir mal eine Kupferspirale einsetzen lassen.

Das war sehr schmerzhaft.

Und diese Abtreibungserfahrung war genau wie das, bloß acht Stunden lang… diese unerträglichen Krämpfe.

Es ging so weit, dass ich nicht aufhören konnte, mich zu übergeben, weil ich so starke Schmerzen hatte. 

Zum Glück war ich auf einer Menge Marihuana und hatte noch von der Ärztin verschriebene Schmerzmittel genommen. 

Liam hat mich einfach mit all diesen Dingen vollgepumpt.

Und irgendwann hatte ich definitiv Halluzinationen, es war alles so überwältigend, und ich starrte nur noch an die Decke.

Ich war nicht einmal mehr auf diesem Planeten.

Aber ja, der Schmerzpegel war ziemlich, ziemlich hoch.

Und viel Blut.

Ich hatte diese riesigen Pads, um alles aufzufangen.

Ich konnte spüren, wie die Haut oder das Ding, das das Baby umhüllt und wie Plastik aussieht, aus mir herauskam.

Die Ärztin hatte gesagt, dass das passieren würde.

(Holly meint erneut diese Vorstufe der Plazenta mit den Chorionzotten.)

Liam kam und setzte sich zu mir und unterstützte mich bei allem, was ich tat.

Überall war Blut.

Das war echt eklig.

Dann durfte ich ein paar Wochen lang nicht baden/schwimmen und keinen Sex haben, während ich mich erholte.

Die Ärzte behandeln das so, als hätte man eine Fehlgeburt gehabt.

Dieselben Prozeduren.

Die ganze Erfahrung war wirklich intensiv.

Frauen sind so mutig.

Was wir tun und was wir unserem Körper zumuten.

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Ich weiß: »Nein, das war nicht gut für meinen Körper, aber ich musste es tun.«

Ja, und es ist auf einer Ebene auch irgendwie amüsant:

Ich bin sehr religiös und engstirnig aufgewachsen.

Besonders als Teenager war ich sehr voreingenommen.

Und ich erinnere mich, dass ich Dinge sagte wie:
»Ich würde nie abtreiben.«
»Ich würde nichtmal Sex haben.«
»Ich würde nie dies oder das tun oder wie können diese Leute blablabla.«

Heute habe ich das Gefühl, dass das Schöne am Universum und an Gott ist, dass es am Ende so ist: »Haha, ja? Denkst du das wirklich?«

... Und dann erlebst du all diese Dinge, denen du eigentlich sehr voreingenommen gegenüber standest, und sie verändern nicht nur deine Sichtweise, sondern sie verändern dich.

Jetzt bin ich viel einfühlsamer und mitfühlender in diesem Bereich.

Any:

Schöne Worte. Du hast dem Prozess vertraut, mutige Frau, die du bist!

Wie ging es nach der Abtreibung emotional weiter?

Any:

Um nochmal auf einen interessanten und meiner Meinung nach sehr wichtigen Teil deiner Geschichte zurückzukommen:

Welche Art von Therapie und Unterstützung hast du erhalten?

Holly:

Die Abtreibungsklinik bot keine wirkliche Therapie an, also keine professionelle Unterstützung.

Aber ich hatte gute Fachleute, die freundlich und mitfühlend waren.

Und dann habe ich mich natürlich einigen vertrauenswürdigen Freunden anvertraut.

Aber das war erst kürzlich.

Erst ein Jahr später wurde mir klar, dass es Dinge gab, die immer noch hoch kamen und über die ich mit jemandem reden musste.

Von sich aus hätte ich keine Therapie in Anspruch genommen. 

Sicher, wenn ich gefragt hätte, hätte es Leute gegeben, du weißt schon, Selbsthilfegruppen, aber es war nicht wirklich etwas, das sie mir gegenüber erwähnt haben.

Any:

Und jetzt bist du also in Therapie? Speziell zu diesem Thema oder allgemein, und es kam dort zur Sprache?

Holly:

Die Abtreibungserfahrung war der Grund.

Ich habe die Therapie im Frauenzentrum gemacht.

Und ich habe der Therapeutin die ganze Geschichte erzählt.

Es gibt immer haufenweise Dinge, die man in Therapie ansprechen kann, aber die Abtreibungserfahrung war das, was mich bedrückte, und ich merkte, dass es immer noch ein Thema war.

Es war immer noch etwas, das mich sehr belastete.

Das habe ich gemerkt, weil ich unbewusst immer noch versucht habe, schwanger zu werden.

Ich habe mit der natürlichen Verhütung begonnen, nachdem ich mein ganzes Leben mit den hormonellen Verhütungsmitteln und der Kupferspirale gekämpft habe.

Mehr zur natürlichen Verhütung bei »Frauenärzte im Netz«.

Und ich habe es einfach nicht sehr ernst genommen.

Ich weiß, tief im Inneren habe ich mir nicht aktiv gesagt: »Ich versuche, schwanger zu werden.«

Aber dann wurde mir klar, dass ich ein bisschen unvorsichtig drauf war, weil ich unbewusst versuchte, diese seltsame Leere zu füllen, die ich nicht verarbeitet hatte.

Abtreibungserfahrung

 Das war ein sehr konfrontierendes Gespräch mit Liam.

Denn wie immer, wenn wir kopflos Sex hatten, habe ich auf seine Frage »Würdest du noch einmal abtreiben?« »Ja« gesagt.

Aber dann habe ich mich hingesetzt und gesagt:

Nein, ich glaube nicht, dass ich das noch einmal durchmachen könnte.

Denn ein Teil von mir sehnt sich jetzt danach, trotz allem ein Kind zu bekommen.

Und ich glaube nicht, dass das jemals verschwinden wird, bis ich ein Kind habe.

Heute mit der Abtreibungserfahrung leben

Any:

Wie bewegt sich die Erfahrung mit deiner Abtreibung heute in dir? Hast du zum Beispiel etwas getan, um den Prozess abzuschließen?

Holly:

Ich habe mit meiner Therapeutin Folgendes besprochen:

Bei einem Schwangerschaftsabbruch geht es nicht um ein körperlich ausgewachsenes Baby.

Es ist nicht so, dass man etwas begraben kann.

Es gibt kein Ereignis, bei dem die Angehörigen um dieses Leben trauern und es ehren.

Deshalb haben Liam und ich auch nie einen Baum gepflanzt oder unsere eigene kleine Beerdigung abgehalten.

Als ich mit meiner Therapeutin sprach, wurde mir klar, dass ich das unbedingt tun musste.

Und ich habe einen Brief an Little Bean geschrieben, wozu mich meine Therapeutin ebenfalls ermutigt hat.

Sie sagte, ich solle so viel schreiben, wie ich will.

In diesem Prozess ging es darum, tatsächlich mit Little Bean zu sprechen, mich zu entschuldigen und um Vergebung zu bitten.

mifegyne erfahrungen

Denn man empfindet dieses Maß an Bedauern und Scham und es tut einem leid.

Ich musste mich entschuldigen und sagen, dass es mir leid tut, dass wir dieses Leben mit dir nicht haben konnten.

Wenn man schwanger wird, ist das wie ein Aufflackern von Erinnerungen:

Kannst du dir dieses Baby vorstellen und wie du mit ihm sein wirst?

Wie dein Partner mit ihr sein wird und sie lieben wird?

Man denkt darüber nach und trifft dann die Entscheidung, es nicht zu tun.

Das schneidet einfach einen Teil in dir ab.

Ich habe also einen Brief geschrieben, und ich werde wahrscheinlich noch mehr schreiben.

Liam wird irgendwann einen Baum in unserem Garten pflanzen.

Einen, den ich aussuche.

Any:

Hattest du das Gefühl, dass du eine Antwort von Little Bean bekommen hast, als du die Briefe geschrieben hast?

Gibt es eine Energie um diese Seele herum?

Holly:

Ja, sehr sogar.

Dazu nochmal ein Rückspann zu meiner Motivation für Therapie:

Ich habe mich für die Therapie entschieden, weil ich das Gefühl hatte, dass sich nach der Geburt und der Abtreibung etwas in mir dauerhaft verändert hat.

Etwas war nicht mehr dasselbe, und ich konnte es niemandem erklären.

Keiner konnte verstehen, was ich meinte.

Also war es einfacher, nicht darüber zu reden.

Und eigentlich würde ich nur mit Liam darüber reden, aber er ist ein Mann, also versteht er den Zusammenhang nicht ganz.

Ich sehnte mich danach, zu verstehen, warum ich so fühle, und ich sprach mit meiner Therapeutin, es war unsere erste Sitzung.

Sie sagte, wenn man schwanger wird, beginnt das Baby und alles andere, die DNA zu verändern.

All deine Kinder und Babys, die du jemals bekommst, verändern deine Chemie als Person.

Das ist wissenschaftlich bewiesen.

Der medizinische Begriff lautet »Mikrochimärismus« und bedeutet konkret:

»[W]ährend der Schwangerschaft findet nicht nur ein Austausch von Nährstoffen und Sauerstoff statt, sondern auch eine faszinierende Verbindung auf zellulärer Ebene. Während der Schwangerschaft werden Zellen durch die Plazenta auf den jeweils anderen übertragen. So bleiben Mutter und Kind auch nach der Geburt miteinander "verbunden". Und das jahrzehntelang, wie Forschende herausgefunden haben.«

Zitiert aus der Geo »Warum Mütter jahrelang Zellen ihrer Kinder in sich tragen«.

Weitere deutschsprachige Quellen:

»Mikrochimärismus beim Menschen: Ein Puzzle für die Wissenschaft« (Universität Graz)

»Mikrochimärismus: Die ganz besondere Verbindung zwischen Mutter und Kind« (Vita34)

Mehr zu Mikrochimärismus und frühzeitigem Schwangerschaftsabbruch:

»Mikrochimärismus und Schwangerschaft: Was ist los?« von Jolly Mama!

Das hat mich einfach umgehauen!

Das war etwas Besonderes:

Ich habe mir immer eingeredet, dass durch die Abtreibung dieser Teil von mir abgeschnitten wurde.

Aber tatsächlich wird Little Bean immer ein Teil von mir sein, auf reale und echte Weise.

Sie ist in meiner DNA und das ist schön zu wissen.

Es war etwas Besonderes zu wissen, dass das Baby ein Teil von mir ist und dass ich mich deshalb anders fühle.

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Aber dieses Gefühl war wirklich so schwer zu erklären.

Es fühlte sich an, als ob etwas nicht ganz richtig wäre.

Und damit musste ich mich auseinandersetzen und das klären.

Und nachdem ich eine Therapie gemacht hatte, wurde mir klar, dass ich momentan kein Baby will.

Ich habe diese Leere geheilt und erkannt, dass ich das, was ich erlebt hatte, einfach auflösen und durchsprechen musste.

Ich musste einen Abschluss finden.

Und jetzt bin ich eigentlich froh, dass ich noch ein bisschen warten kann, ich bin ja erst 22.

Any:

Du willst also eines Tages ein weiteres Baby bekommen?

Holly:

Ja.

Und das war auch etwas Besonderes, denn Liam und ich haben immer darüber gesprochen, keine Kinder zu haben.

Vor allem, weil die Welt so dramatisch und chaotisch ist.

Wir haben uns ziemlich ernsthaft darüber unterhalten, das nicht zu tun.

Jetzt, nachdem wir schwanger geworden sind, wissen wir beide, dass wir hier Babys haben wollen.

 Das ist etwas Besonderes.

Any:

Vielleicht ist Little Bean also gekommen, um euch diese Botschaft zu überbringen und euch auf zukünftigen Kinder vorzubereiten?

Holly:

Ja, absolut.

Wir haben also unsere Narrative, unsere Motivation und unsere Träume geändert.

Ein Tabu brechen?

Any:
Wolltest du mit Familie und Freunden über die Abtreibung zu sprechen? Oder ist es ein großes Geheimnis in deinem Leben?

Holly:

Ja, es ist inzwischen ein bisschen weniger geheim.

Die erste Person, die ich anrief, war eine meiner besten Freundinnen, Tabea. 

Das war sicher kein Zwischenfall, denn sie war der ganzen Sache gegenüber aufgeschlossen und unterstützend.

Dann habe ich meine beiden anderen besten Freundinnen Ari und Cassie angerufen.

Und dann habe ich meine Mum angerufen, was wirklich seltsam war, weil sie religiös ist.

Meine Eltern sind beide religiös, und wenn ich sage religiös, dann sind sie nicht diese streng religiösen Menschen.

Sie lieben einfach Jesus.

Sie rauchen Dope und haben ihre Probleme.

Meine Mum, sie war ehrlich und sagte: »Du weißt, dass ich pro life bin, aber ich werde dich unterstützen!«

Ich wollte, dass sie meine Entscheidung in irgendeiner Weise bestätigt, und das hat sie getan.

Das hat mir sehr viel bedeutet.

schwangerschaftsabbruch ablauf

Danach habe ich es wahrscheinlich etwa 10 Leuten erzählt.

Das war zum Beispiel auf einer Party.

Eine Frau hat mich auf das Thema Verhütung angesprochen und ich konnte sagen: »Nun, ich hatte eine Abtreibung.«

Ich konnte diese Erfahrung einbringen.

Und zu diesem Zeitpunkt war ich aus irgendeinem Grund zuversichtlich und geheilt genug, um darüber zu sprechen.

Der Freundin einer anderen Freundin habe ich es zufällig erzählt.

Und dann habe ich es manchmal Leuten erzählt und hinterher gedacht: »Warum habe ich das gesagt?«

Und das war auch der Grund, warum ich zur Therapie gegangen bin, weil ich gemerkt habe, dass es eine Anteil in mir gibt, der nach Menschen sucht, die mich bestätigen.

Das habe ich mein ganzes Leben lang getan, weil ich Christin bin und immer versucht habe, perfekt zu sein und den Leuten zu gefallen.

Aber anfangs habe ich nur meinen besten Freundinnen davon erzählt, Leuten, die ich kannte und die mich nicht herausforderten, sondern sagten: »Ich halte dir den Rücken frei!«

Any:

Ich danke dir von ganzem Herzen für deine Geschichte, Holly!

Ich habe dir alle Fragen zu einer Abtreibungserfahrung gestellt, die ich hatte.

Gibt es noch etwas, das du teilen möchtest?

Die wichtigste Kraftquelle während der Abtreibungserfahrung

Holly:

Ja, in der Tat.

Es gibt noch eine Geschichte, die mir während des ganzen Prozesses erzählt wurde.

Eine wichtige und gute Geschichte.

Hier ist sie:

Wenn eine Frau die Entscheidung trifft, abzutreiben, kommt das eigentlich von der Seele des Babys.

Die Seele stupst dich an und sagt dir, dass sie für diese menschliche Erfahrung noch nicht bereit ist und zurück in die geistige Welt will.

Ich erinnere mich, dass ich dachte: »Okay, es ist nicht die ganze Last auf meinen Schultern. Ich treffe nicht alleine diese schreckliche Todesentscheidung. Es ist eigentlich eine schwierigere Sache.«

Das war etwas ganz Besonderes.

Das war das Beste, was mir jemand in dieser frühen Phase gesagt hat.

Ich hatte gerade den Test gemacht und das war genau das, was ich hören musste.

Any:

Ich habe diese Geschichte auch während meiner Doula-Ausbildung erzählt bekommen.

Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass dies etwas ist, worüber viele Mütter erleichtert sind - dass die Seele des Babys in diesem ganzen Prozess etwas zu sagen hat und dass alles gut ist, so wie es ist.

Es sagt viel über die Mutter aus, dass sie in der Lage ist, der Seele nicht kam, um zu bleiben, diese Erfahrung zu ermöglichen und ihr diesen rite of passage bietet.

schwangerschaftsabbruch bis wann

Es geht dabei um die Idee der Reinkarnation.

Jede Seele wählt vor ihrer nächsten Inkarnation ihren ureigenen Weg auf dieser Erde, um sich weiterzuentwickeln und die dafür notwendigen Lektionen zu bekommen.

Dies ist der Seelenweg.
 
Für manche Seelen bedeutet das die radikale Konfrontation mit dem Tod.

Die Seele der Mutter trägt die Entscheidung zur Abtreibung.

Sie ist eine Frau mit genügend Lebenserfahrung in dieser Inkarnation.

Von diesem Punkt in ihr kommt ihr inner calling zur Abtreibung.

Sie muss eine wirklich starke Seele sein, wenn sie eine  Abtreibungserfahrung in diesem Leben machen soll.

Und nur so kann sie die Seele des Babys auf ihrem ganz eigenen Weg begleiten.

Damit verbunden kann die Babyseele auch die Aufgabe haben, die Eltern, in deren Familie sie inkarniert, dabei zu unterstützen, ihre eigenen Wunden zu heilen oder sie auf einen neuen Weg zu führen.

So wie es bei dir und Liam und eurem neuen Kinderwunsch geschehen ist.

... Was für ein inspirierendes Ende deiner Geschichte über deine Abtreibungserfahrung.

Danke, Holly, von Herzen!

Deine Worte sind Licht, Heilung und Ermutigung für viele Frauen, die den gleichen Weg vor oder hinter sich haben.

Bonusmaterial: Eine Liste von Websites, die über Abtreibung in

Liebe Leserin,

Hier habe ich noch eine Liste an Seiten für dich zusammengetragen, die dir in Deutschland im Rahmen »Abtreibung« weiterhelfen können.
Seien es medizinisches Wissen, Infos zu Abtreibungskliniken oder psychologische Unterstützung:

Dieses Bonusmaterial kann dich auf deinem Weg mit deiner Abtreibungserfahrung begleiten, kann deine Freundin, Schwester, Klientin auf ihrem Weg mit ihrer Abtreibungserfahrung begleiten.

ProFemina:

ProFemina bietet Beratung für ungewollt Schwangere.
Auf der Website (Link) findest du den Reiter »Abtreibung«. Hier findest du alles zu pro/contra, wo und wie, zur deutschen Rechtslage, den Folgen & Risiken und den Kosten. Beachte, dass du oben rechts das richtige Land einstellst (die Rechtslage ändert sich von Land zu Land). Mögliche Länder: Deutschland, Schweiz, Österreich, Italien, Portugal, International.
Zwei Beispielartikel: »Abtreibungsmethoden« und »Wo darf man abtreiben?«

Woman on Web:

Ganz zentral & wichtig: »Women on Web bietet weltweit sicheren Zugang zu Abtreibungspillen per Post. Fordern Sie Mifepriston und Misoprostol an.« Die Website gibt es in insgesamt 27 Sprachen, darunter natürlich auch eine »Englische Version«. Hier findet ihr auch noch jede Menge weitere Abtreibungsgeschichten in vielen unterschiedlichen Sprachen: »Ich habe abgetrieben«.

Familienplanung:

»Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat den gesetzlichen Auftrag, eine Liste von Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Einrichtungen zu veröffentlichen, die mitgeteilt haben, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Die Bundesärztekammer erhebt diese Daten und aktualisiert diese Adressliste monatlich«
Diese Liste inkl. PLZ-Suchfunktion findest du auf der Website der »Familienplanung«, ebenso weitere Informationen rund ums Thema Abtreibung.

Bundesärztekammer:

Eine weitere solche Liste gibt es hochoffiziell von der Bundesärztekammer: »Liste der Bundesärztekammer nach § 13 Abs. 3 Schwangerschafts­konfliktgesetz«.

Mehr zur Rechtsgrundlage hier:

Bundesministerium für Senioren, Frauen und Jugend: »Schwangerschaftsabbruch nach § 218 Strafgesetzbuch«.

Weitere Aufklärung durch ProFamilia:
 »Schwangerschaftsabbruch - Abtreibung«. Nutze hier auch die rechts eingeblendete Funktion »Beratung finden« nach PLZ oder online.

 »Doctors for Choice Deutschland«:

Ein großartiger Verein, der sowohl über Schwangerschaftsabbrüche aufklärt, als auch Ärzt*innen vernetzt, ja sogar Fortbildungen zum Thema anbietet. Es gibt auch das globale Netzwerk: »Global Doctors for Choice«.

 Auch spannend: »Pro-Choice«

Ein Verein, der sich für die Abschaffung §219A einsetzt!
»Die Überschrift des 219a im Strafgesetzbuch „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ ist irreführend und falsch, weil Ärzt*innen keine Werbung für Abbrüche machen, sondern ihre Patientinnen informieren.«

Zuletzt empfehle ich dir dieses sehr gute Video von Quarks:

Wenn du Fragen hast, ein Anliegen besprechen möchtest, ein offenes Ohr benötigst oder Unterstützung in einem wertfreien, liebevollen Rahmen unter Frauen suchst, dann melde dich gerne bei uns.

Wir sind für dich da!

In Liebe und Verbundenheit, in Dankbarkeit und Respekt vor jedem einzelnen Weg der Frauen dieser Erde,

deine Any

Lesezeit: 21 Minuten

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